Deutscher Pferderechtstag

Presseinformation zum 19.Deutschen Pferderechtstag am 23.6.2023 in Kassel

 

Nach Corona fand der Deutsche Pferderechtstag erstmalig wieder als Präsenzveranstaltung statt, was Teilnehmer aus ganz Deutschland, Österreich der Schweiz und den Niederlanden besonders schätzten. Auch in diesem Jahr war der Fachkongress wieder ausgebucht und fast alle Teilnehmer reisten bereits zum come-together der Szene am Vorabend an, leider durch ein massives Unwetter mit Sturm, Hagel und Überschwemmungen in Kassel etwas getrübt, was aber den Ausklang an der Hotelbar nicht verkürzte.

Am 23.06.2023 begann das Programm mit dem jährlichen Schuldrechts-Update 2023 mit aktueller Rechtsprechung sowie deren Auswirkungen auf das Pferdekaufrecht und die Haftungsrisiken für die Pferdewirtschaft und den Pferdesport. Der Referent Prof. Dr. Ansgar Staudinger von der Universität Bielefeld stellte dazu zahlreiche relevante neue Urteile vor, etwa das Urteil des EuGH vom 17.05.2023 (C-97/22) zum „Widerrufsjoker“, der einen Verbraucher davon befreit, erbrachte Leistungen zu vergüten, wenn in dem dafür vorab (außerhalb von Geschäftsräumen) geschlossenen Vertrag die Belehrung über das Widerrufsrecht gem. Art 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. 1 fehlt, und die Entscheidung des LG Frankenthal vom 12.05.2023 (2 S 149/22) zum Umgangsrecht bei Tieren bei einer Scheidung. Konkret geht es in diesem Fall um einen gemeinsam angeschafften Hund, die Entscheidung ließe sich aber auch auf ein gemeinsam angeschafftes Pferd übertragen.

Im weiteren Verlauf ging Staudinger auf aktuelle Entwicklungen bei Schmerzens- und Trauergeld bis zum Schockschaden bei Tierverletzungen sowie auf die Änderungen beim Hinterbliebenengeld ein. Er präsentierte aktuelle Rechtsprechung zum Thema Tierarzthaftung sowie zu versicherungsrechtlichen Fragen zur tierärztlichen Aufklärungspflicht und verwies auf die über 27 neuen Urteile zur Tierhalterhaftung in den umfangreichen Tagungsunterlagen.

Anschließend stellte er einen Verordnungsentwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung und anderer Arbeitsschutzverordnungen des Arbeitsministeriums vor, der erhebliche Auswirkungen auf alle Gebäude haben werde, die vor dem 31.10.1993 gebaut wurden. Demnach würde gesetzlich unterstellt, dass diese Gebäude Asbest enthalten. Auf Besitzer, die Reparaturen durch Dritte veranlassen, kämen erhebliche Verpflichtungen zu. Davon dürften auch eine Vielzahl von Pferdebetrieben betroffen sein. Erhebliche Mehrkosten und bisher so nicht gekannte Zusatzrisiken wären zu erwarten.

Schließlich ging Staudinger auf versicherungsrechtliche Entwicklungen ein, deren Auswirkungen auch die Pferdebranche direkt tangieren. Einige neue Urteile zur Betriebsgefahr der §§ 7 und 8 StVG mit direktem Bezug zu landwirtschaftlich genutzten Maschinen und Fahrzeugen zeigten deutlich den Beratungsbedarf für Pferdebetriebe zur Vermeidung teilweise nicht bekannter Risiken. Das galt auch für die Urteile zu weiteren Haftungsfragen wie z. B. Aufsichtspflichtverletzungen von Eltern von Minderjährigen und entsprechende Anforderungen, die daraus für Reit- und Pferdebetriebe resultieren.

Im zweiten Teil seines Vortrages befasste sich Staudinger mit dem neuen Pferdekaufrecht und dessen Auswirkungen auf die anwaltliche Praxis. Besonders wurden Formulierungsfragen für Pferdekaufverträge beim Verbrauchsgüterkauf (B2C) nach der zum 01.01.2022 umgesetzten Warenkaufrichtlinie besprochen, was nach Ansicht des Referenten bei den Marktteilnehmern wohl noch immer verkannt wird.

Zunächst besprach er eine Reihe von Urteilen zum (Tier-)Kaufrecht, die noch nach altem Recht ergangen sind. Er hob die jeweils für den Pferdekauf relevanten Punkte hervor sowie die Aspekte, die auch nach dem neuen Kaufrecht weiter gelten beziehungsweise nun nicht mehr gelten, und was dies für die anwaltliche Praxis bedeutet.

Nachfolgend beatrachtete der Referent detailliert die neuen Regeln für die Abfassung von Verbrauchsgüterkaufverträgen (B2C). Unter anderem verwies er darauf, dass negative Beschaffenheiten eines Pferdes einem Verbraucherkäufer deutlich sichtbar vorab mitgeteilt werden müssen. Eine klassische Ankaufsuntersuchung und ein Verweis auf ein dem Vertrag beigefügtes Protokoll reichten nicht mehr zur Erfüllung der neuen Informationspflichten. Allein die negativen Befunde seien dabei vor Abschluss eines Vertrages einem Verbraucherkäufer vom Verkäufer mitzuteilen, in einer für den Verbraucher nachvollziehbaren und verständlichen Form. Zudem könne eine etwaige Verkürzung der Verjährungsfrist von Gewährleistungsansprüchen nicht mehr im Kleingedruckten untergebracht werden. Sie müsse vorab gesondert und deutlich sichtbar dem Käufer bekannt gegeben werden. Ausdrücklich wies Staudinger darauf hin, dass neben dem Kaufrecht auch das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu prüfen sei, wenn man vorformulierte Klauseln verwendet.

Daran anschließend widmete sich der Referent den weiteren Folgen der Reform des Pferedekaufrechts durch die Warenkaufrichtlinie, z. B. dem Ausschluss von § 344 Abs. 1 HGB, dem Mangelbegriff (§ 434 BGB), der Nacherfüllung, dem Rücktritt und dem Schadensersatz sowie weiteren bestehenden Abgrenzungsfragen.. Die Formerfordernisse für negative Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 476, Abs. 1 Satz 2 BGB besprach er ebenso wie die Formerfordernisse bei rechtsgeschäftlichen Verjährungserleichterungen gem. § 476 Abs. 2 Satz 2 BGB sowie Fragen der Verlängerung der Beweislastumkehr gem. § 477 BGB. Zu achten sei auch auf § 475 Abs.3 Satz 2 BGB, wonach § 442 BGB nicht eingreife. In § 475 d ff. BGB sei zu beachten, dass nach der bei einem Verbrauchsgüterkauf vom Käufer keine Nachfristsetzung zur Nacherfüllung gesetzt werden müsse.

Der Referent machte einem konzentrierten Auditorium sehr deutlich, dass seit dem 01.01.2022 im Pferdekaufrecht ein business as usual nicht mehr möglich sei und erhebliche Haftungsrisiken bei der anwaltlichen Beratung vermieden werden müssen.



Der nächste Vortrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Burghard Piltz aus Berlin befasste sich mit dem internationalen Pferdekaufrecht beim Import und Export von Pferden, Sperma, Eizellen und Embryonen. Der Referent begann mit einem Fall aus der Praxis, an dem er beteiligt war. Bei dem Rechtsstreit ging es um den Samen des Hengstes Totilas. Nach Darstellung der Fakten erläuterte Piltz die Folgen für die anwaltliche Praxis, z. B. die Geltung des UN-Kaufrechts/CISG für internationale Pferdekaufverträge. Er stellte fest, dass gewonnenes Sperma von Hengsten als eigenständiges Rechtsobjekt behandelt werde, ebenso Eizellen und Embryonen. Zudem wies er darauf hin, dass bei Pferdeverkäufen klare Regelungen zu Zuchtrechten nicht fehlen sollten.

Dann erläuterte der Referent anschaulich die Geltungsprüfung des UN-Kaufrechts bei Import- und Exportverträgen und den Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts. Ausführlich befasste er sich mit den parteineutralen Vorzügen des UN-Kaufrechts sowie den Problemen bei der internationalen Rechtswahl beim internationalen Privatrecht (IprivR) unter Einbeziehung der Grenzen der Rechtswahl in der Rom I-VO. Der Referent wies auch darauf hin, dass man bei Im- und Exportverträgen den Ausschluss des UN-Kaufrechts wohl überlegen sollte, da dieses materiellrechtlich/inhaltlich besser als deutsches nationales Recht sei, sowohl aus Käufer- wie auch aus Verkäufersicht. Des Weiteren belegte der Referent anhand einiger Praxisfälle, dass das UN-Kaufrecht in Verbindung mit einer Schiedsgerichtsklausel optimiert werden könne. Er wies darauf hin, dass man vorsichtig sein solle, bei internationalen Fällen einfach deutsches Recht zu vereinbaren. Bei internationalen Fällen sollte die berufliche Vermögensschadenhaftpflichtversicherung überprüft werden.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sportrecht Marc Patrick Schneider (MBA) aus München behandelte in seinem Vortrag eine tierwohlorientierte institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit für Streitigkeiten rund um das Pferd. Einführend erläuterte er die Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit mit Fokus auf Sport und die Abgrenzung zur Vereinsgerichtsbarkeit sowie die Grundlagen einer Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit. Ausführlich differenzierte er zwischen einer Verbandsschiedsgerichtsbarkeit und einer echten Schiedsgerichtsbarkeit und deren ersichtlichen Vorteile. Dann wurden die Arten der Schiedsgerichte definiert, Ad-hoc und Institutionell. Es folgte die Darstellung der Verfahrens- und Rechtsgestaltung samt Regelungssystemen und deren Anwendung und der Administration des Schiedsverfahrens. Weitere Punkte waren Fragen des Aufbaus von Schiedsgerichten, von Rechtsmittelgestaltungen und Statistiken aus der Praxis.

Im nächsten Abschnitt ging Schneider auf die besondere Motivationslage bei Pferdefällen ein, die in der Zivilgerichtsbarkeit allein schon aufgrund der überlangen Verfahrensdauer dem Tierwohl des betroffenen „Prozesspferdes“ erheblich schaden. Das führte schon vor einigen Jahren zu Überlegungen einer eigenen Pferdeschiedsgerichtsbarkeit, welche zwischenzeitlich aufgrund aktueller Entwicklungen im Schiedsrecht sowie neuen rechtlich zulässigen Verfahrensformen umsetzungsreif seien. Sinn und Zweck dabei sei die Ausnutzung sämtlicher Vorteile einer echten Schiedsgerichtsbarkeit, die Meidung der typischen Effizienz- und Sachnähenachteile der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie die direkte Integration des Tierwohls bzw. des Pferdes als zwangsweise Prozessbeteiligte ins Schiedsverfahren.

Abschließend erläuterte der Referent die aktuelle Entwicklung des Zentrums für Schiedsgerichtsbarkeit und Pferderecht, welches als gemeinnütziger Verein aufgestellt sei und möglichst viele Zielgruppen zur Mitgestaltung „pro equo“ einbinden werde. Neben der klassischen Schiedsgerichtsordnung würden weitere Optionen wie Schlichtungsverfahren, Mediationsverfahren und auch neue Gestaltungsoptionen wie ein Schiedsgutachtenverfahren angeboten. Das Schiedsverfahren werde umfassend und spezialisiert unter state-of-the-art Digitalisierungsaspekten verwaltet. Dazu sei ein für Parteien und Schiedsrichter tragbares Kostenmodell verfügbar, welches vor allem den Zeitfaktor für eine schnelle Erledigung von Pferdefällen fördern solle.

Das Auditorium fand diese Ansätze sehr spannend, was auch anhand der Fragen der Teilnehmer erkennbar war. Der Referent wies darauf hin, dass Interessierte für eine solche Schiedsgerichtsbarkeit sich einfach beim Deutschen Pferderechtstag (info@pferderechtstag.de) melden können, um weitere Informationen zu erhalten.

Der letzte Vortrag des Fachkongresses befasste sich mit Legal Tech, KI und ChatGPT in der anwaltlichen Praxis, eine Thematik, an der heute kein Anwalt mehr vorbeikommt. Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Sascha Kremer aus Berlin führte in das Thema ein mit einer ausführlichen Erklärung der relevanten Begriffe und was diese im Einzelnen bedeuten. Dann trug er die rechtlichen Entwicklungen in der EU dazu vor und welche Regulierungen diese neuen Technologien beherrschbar machen sollen. Kremer wies auf die sogenannte Hochrisiko-KI hin und wie man beabsichtige, diese zu behandeln. Er erläuterte Beispiele der Generativen KI wie ChatGPT oder Midjourney, die als Grundlage das sogenannte Large Language Model nutzen. Dabei werden Modelle mit riesigen Datenmengen trainiert und ein Output in Form von Texten und Bildern o. ä. geliefert. Wie solche Tools in der anwaltlichen Praxis eingesetzt werden können und vor allem dürfen, zeigte der Referent an eigenen Praxisfällen unter Bezugnahme auf die entsprechenden Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes.

Daraufhin betrachtete Kremer mit Bezug auf die BRAO die Rolle des Anwalts näher. Ein Anwaltsvertrag sei ein Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB bzw. ein Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 Abs. 1 BGB mit einer persönlichen Leistungspflicht des Anwalts. Wer nun daran denke, KI und Legal Tech Tools bei einer Mandatsbearbeitung einzusetzen, solle unter anderem darauf achten, keine Mandantendaten Dritten zu offenbaren, etwa Dienstleistern solcher Tools. Ein Zwischenergebnis des Referenten lautet daher, dass starke oder unkontrollierte KI oder Legal Tech Tools von Anwälten nicht nutzbar seien. Allerdings verlange die Rechtsprechung aufgrund des Anwaltsvertrages, dass der Anwalt verpflichtet sei, die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandates nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen. Er müsse sein Verhalten so einrichten, dass er Schädigungen des Auftraggebers vermeidet. So stellt der Referent seinem ersten Zwischenergebnis ein widersprechendes zweites gegenüber: Gute (starke) KI und Legal Tech Tools könnten für Anwälte zwingend werden; bei näherer Betrachtung des anwaltlichen Berufsrechts für Anwälte wäre es möglich, dass Anwaltskammern eingriffen sowie anwaltsgerichtliche Maßnahmen erfolgten. Insbesondere sei dabei auch auf § 203 Abs. 1 StGB zu beachten.

Zum Abschluss seines Vortrags, und damit des 19. Deutschen Pferderechtstags, erläuterte Kremer anhand von Legal Tech Tools deren Vor- und Nachteile in der anwaltlichen Praxis, etwa Vertragsgeneratoren oder sonstige prozessunterstützende Tools. Bei KI Anwendungen sei dabei jedoch äußerste Vorsicht geboten, wie der Referent aus eigenen Versuchen ermittelt habe. Bei zehn gleichen Anfragen (Prompts) bei ChatGPT habe er zehn unterschiedliche Ergebnisse bis hin zu erfundenen Urteilen erhalten. Auch sei die Datengrundlage unbekannt, aus der Anfragen beantwortet würden. Weiterhin seien erhebliche Anforderungen des Datenschutzes und des Mandatsgeheimnisses bis hin zur Klärung der Berufshaftpflichtversicherung zu beachten. An dieser Thematik müsse jeder Anwalt zur Sicherung seiner Qualität dranbleiben, so das Fazit des Referenten, der mit großem Beifall des Auditoriums verabschiedet wurde.



Pressekontakt

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Rechtsanwalt Thomas Doeser

Tel. 07071 600363

Fax 07071 600345

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